Schullandschaft kommt in Bewegung

WHKT-Ausschuss fordert Beurteilung des Arbeits- und Sozialverhaltens – Mit der Abschaffung der Kopfnoten auf den Schulzeugnissen will sich das nordrhein-westfälische Handwerk nicht abfinden. Es kritisiert den Beschluss der Regierungsparteien und fordert weiterhin verbindliche Aussagen über das Arbeits- und Sozialverhalten der Jugendlichen. Nur dann hätten Betriebsinhaber/innen einen Anhaltspunkt für die richtige Auswahl von Lehrstellenbewerbern.
In dem Streit könnte sich eine Lösung abzeichnen, so zeigte das traditionelle Aschermittwoch-Treffen des WHKT-Ausschusses Berufsbildung in Aachen. Dabei machten die Landtagsabgeordneten Karl Schultheis (SPD) und Norwich Rüße (Bündnis90/Die Grünen) deutlich, dass sie sich eine Verpflichtung der Schulen auf eine kurze und klare Beurteilung der Schülerinnen und Schüler jenseits von Ziffernnoten vorstellen können. Jedenfalls wollen sie diesen Vorschlag in die Beratungen ihrer Fraktionen einbringen.

Großer Sanierungsbedarf

Das Arbeits- und Sozialverhalten war ein Thema des Meinungsaustauschs zwischen den Ausschussmitgliedern und den beiden Parlamentariern. Darüber hinaus ging es um grundsätzliche Fragen wie die Finanzierung der Bildungszentren des Handwerks. So erinnerte der Ausschussvorsitzende Ralf W. Barkey, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für die Region Aachen, an die Tatsache, dass von 2,4 Milliarden Euro, die NRW aus dem Konjunkturpaket II zugeflossen waren, nur 800.000 Euro für die Ertüchtigung der Bildungszentren des Handwerks ausgegeben worden sind. Ein Unding bei jährlich 250.000 Teilnehmern an Fort- und Weiterbildungskursen, so Barkey.

Die politisch anerkannte Gleichwertigkeit der beruflichen und akademischen Bildung müsse ihren Niederschlag in der Verteilung der Gelder finden, betonte Schultheis. Nicht allein die Universitäten und Hochschulen im Bundesland, sondern auch die Bildungszentren der Wirtschaftsgruppe Handwerk hätten großen Sanierungsbedarf. In dieser Frage müsse das Land umsteuern, meinte der forschungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Allein schon wegen des Fachkräftemangels sei es notwendig, das Duale System der Berufsausbildung zu stärken und junge Leute mit praktischer Intelligenz mehr zu fördern.

Zwei-Säulen-Modell

Einen Weg dorthin sieht Rüße in erfolgreichen Bildungskarrieren. „Wir können es uns nicht erlauben, Jugendliche zu verlieren“, sagte er und plädierte für einen zügigen Umbau der Schullandschaft. Das dreigliedrige System habe ausgedient, die Zukunft gehöre der Gemeinschaftsschule. Diese jetzt angestoßene Entwicklung betrachtet der Grünen-Politiker als Chance für das Handwerk, seine Berufe unter den Schülern bekannter zu machen und mehr Nachwuchskräfte zu gewinnen.

Auf zeitgemäße Bildungsstrukturen dringt auch der Mittelstand, erläuterte Andreas Oehme, Geschäftsführer des Westdeutschen Handwerkskammertags. In einem Grundsatzpapier hat sich das NRW-Handwerk für ein Zwei-Säulen-Modell ausgesprochen, um gute Bildungschancen trotz des Rückgangs der Schülerzahlen zu gewährleisten. Neben das Gymnasium solle eine »Regionalschule« treten, die sämtliche Abschlüsse bis zum Abitur ermögliche, lautet die Position des Westdeutschen Handwerkskammertags, die für mehr Sachlichkeit in der Schuldebatte eintritt.

Problem der Finanzierung

„Wir müssen zu einer Flurbereinigung kommen“, sagte Schultheis, warnte allerdings vor Illusionen. Derzeit könne das Land die verbindliche Einführung des Ganztagsunterrichts nicht finanzieren, obwohl gerade diese Unterrichtsform eine individuelle Begleitung der Jugendlichen ermögliche. Deutlich höhere Bildungsausgaben sind nach Aussage des Sozialdemokraten nur möglich, wenn es zu einer neuen Verteilung der Steuern zwischen Bund, Ländern und Gemeinden kommt. Aber dafür gebe es bisher keine Grundlage.

Handlungsbedarf gibt es auch in einer anderen Frage: Um die Lücken in den Reihen der Berufsschullehrer zu schließen, plädierten alle Teilnehmer der Runde für den Einsatz von Handwerksmeistern, die Erfahrung in der Ausbildung junger Menschen haben. Das Schulministerium und die Bezirksregierungen müssten hier zu pragmatischen Regelungen kommen, die Meister und Techniker mit einem berufsbegleitenden Pädagogikstudium unterrichten lassen.