Verfassungsgericht kippt Arbeitszimmer-Regel
Meisterschüler und viele andere können das private Büro jetzt steuerlich geltend machen – Hohe Rückzahlungen sind zu erwarten
Sehnsüchtig erwarteten Lehrer, Außendienst-mitarbeiter und viele andere die Entscheidung. Endlich hat das Bundesverfassungsgericht ein Urteil gefällt und die betroffenen Steuerzahler haben allen Grund zu Feiern. Die Richter in Karlsruhe kippten die seit 2007 geltende beschränkte Abzugsfähigkeit der Kosten für das häusliche Arbeitszimmer für ausgewählte Berufsgruppen. Die Ausgaben müssen steuermindernd berücksichtigt werden, wenn dem betroffenen Steuerzahler kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, urteilten Deutschlands oberste Richter (Az. 2 BvL 13/09). Schlechte Karten haben hingegen z.B. Richter und Professoren, die mehr als 50 Prozent ihrer beruflichen Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer ausüben. In diesen Fällen sei es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass sie das Finanzamt mit keinem Cent mehr an Miet- und Nebenkosten für das Arbeitszimmer beteiligen können, entschieden die Karlsruher Richter.
Seit 2007 können Steuerzahler dem Finanzamt die Ausgaben für das private Arbeitszimmer nur noch dann in Rechnung stellen, wenn dieses den „Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit“ bildet. Diese Bedingung trifft beispielsweise auf Rechtsanwälte, Versicherungsvertreter oder Rentner zu, die ihre gesamte berufliche Tätigkeit ausschließlich in ihrem privaten Arbeitszimmer ausüben. Diese konnten und können nach wie vor die Ausgaben für Miete, Nebenkosten oder Reinigungsarbeiten für das Arbeitszimmer in unbegrenzter Höhe steuerlich geltend machen.
Hart traf die Neuregelung rund eine Million Deutsche, bei denen das Arbeitszimmer eben nicht der „Mittelpunkt“ der beruflichen Tätigkeit darstellt – wie dies beispielsweise bei Lehrern, Außendienstmitarbeitern oder Meisterschülern der Fall ist. Sie konnten bis 2007 die Ausgaben für Miete und Nebenkosten, die auf das private Arbeitszimmer entfielen, immerhin noch bis zur Höhe von 1250 Euro mit dem Finanzamt verrechnen. Doch seit 2007 akzeptierten die Beamten in diesen Fällen keinen Cent mehr.
Von der Neuregelung waren auch die Steuerzahler betroffen, die ihre berufliche Tätigkeit zu mehr als 50 Prozent im privaten Arbeitszimmer ausüben wie beispielsweise Professoren oder Richter. Denn auch sie können seit 2007 das Finanzamt an den Kosten nicht mehr beteiligen.
Doch nun urteilten die Karlsruher Richter, dass die Neuregelung zumindest in den Fällen verfassungswidrig ist, in denen kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht und riefen den Gesetzgeber auf, rückwirkend zum 1. Januar 2007 nachzubessern. „Das Urteil ist eine erneute Ohrfeige an den Gesetzgeber“, sagt Uwe Rauhöft vom Neuen Verband der Lohnsteuerhilfevereine. Steuerexperten gehen nun davon aus, dass der Gesetzgeber die Regelung vor 2007 wieder einführt. Denn eine Beschränkung der Abzugsfähigkeit der Kosten haben die Karlsruher Richter nicht moniert. Danach erhalten die 800 000 Lehrer in Deutschland und rund 200 000 sonstige Arbeitnehmer Geld für die vergangenen Jahre zurück und können auch künftig das Finanzamt wieder an den Miet- und Nebenkosten für das Arbeitszimmer bis zur Höhe von 1250 Euro beteiligen. Der Vorsitzende der Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, schätzt, dass das Urteil zu Mindereinnahmen in Höhe von rund 700 Mio. Euro pro Jahr führen wird. Im Schnitt würde jeder Steuerzahler dann pro Jahr zwischen 500 und 1000 Euro Steuern sparen.
Quelle: Welt Online – 23.07.2010