Bei jedem 10. Wohnhaus rechnen sich Abriss und Neubau
Studie macht „Wohnungs-Check“ für Deutschland: Mehr als jedes zehnte Wohnhaus in Deutschland ist nicht mehr wirtschaftlich zu sanieren. Ein Abriss und der anschließende Neubau kommen häufig günstiger als Umbau und Vollmodernisierung. Das ist das Ergebnis einer bundesweiten Studie, die die Kampagne „Impulse für den Wohnungsbau“ heute in Berlin vorgestellt hat. In dem Bündnis sind Verbände der Bau- und Immobilienbranche sowie die IG BAU und der Deutsche Mieterbund zusammengeschlossen.
Die Untersuchung gibt Auskunft über die Bausubstanz von nahezu 36,2 Millionen Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern sowie in kleineren Mehrfamilienhäusern. Kriterien des bundesweiten „Gebäude-Checks“ waren insbesondere flexible Grundrisse sowie die Barrierefreiheit – und damit die Frage, wie alters- und familiengerecht Wohnungen sind. Ebenso der Energieverbrauch. Die Studie „Wohnungsbau in Deutschland 2011 – Modernisierung oder Bestandsersatz“ wurde von der Kieler „Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen“ (ARGE) durchgeführt.
In ihrer Studie stellt die ARGE der Altbausubstanz in Deutschland auch ein „Energie-Zeugnis“ aus: Jede sechste Wohnung, die bis Ende der 70er-Jahre gebaut wurde, ist weitgehend energetisch saniert. Lediglich vier Prozent der alten Wohngebäude sind in punkto Energiesparen noch gar nicht modernisiert.
Daher seien die Wohnungsbestände wesentlich besser als ihr Ruf, betont der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW): „Allen Unkenrufen zum Trotz wurden in den letzten Jahren in den meisten Beständen bereits wichtige Teilsanierungen vorgenommen. Weitere Energie-Effizienz-Maßnahmen sind dadurch mit weitaus höherem Aufwand verbunden, der sich nicht allein aus der Energiekosten-Einsparung refinanzieren lässt“, sagt BFW-Präsident Walter Rasch.
„In keinem Bereich lässt sich so viel Energie einsparen, nirgendwo lassen sich Fördergelder so effizient einsetzen wie bei Wohngebäuden“, so der Bundesvorsitzende der IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Klaus Wiesehügel. Die KfW-Mittel für die energetische Gebäudesanierung lohnten sich deshalb für das Klima und die Konjunktur. „Wegen der Folgeinvestition rechnen sie sich wirtschaftlich. Neben verbesserten steuerlichen Anreizen für den Wohnungsbau ist es daher notwendig, die Fördergelder zu erhöhen und zu verstetigen“, sagt Wiesehügel.
Neben der energetischen Gebäudesanierung stehen Seniorenwohnungen im Fokus der Kampagne „Impulse für den Wohnungsbau“. Bis zum Jahr 2025 brauche Deutschland knapp zwei Millionen altersgerechte Wohnungen – lediglich ein Bruchteil davon sei bislang gebaut, sagt Lukas Siebenkotten.
Der Direktor des Deutschen Mieterbundes (DMB) warnt vor einer „Grauen Wohnungsnot“: „Wir brauchen barrierearme Wohnungen, die es Menschen bis ins hohe Alter ermöglichen, in den eigenen vier Wänden zu leben“, so Siebenkotten. Es dürfe in Zukunft nicht so sein, dass ältere Menschen nur allein deshalb ins Pflegeheim gehen müssten, weil eine ambulante Betreuung wegen der Ausstattung der eigenen Wohnung nicht mehr möglich sei. Siebenkotten: „Das dürfen und können wir uns nicht leisten.“
Die Wohnungsbaupolitik der Bundesregierung sei immer auch ein „Sozial-Barometer“, sagt der Präsident vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), Stefan Thurn. „Wohnungsbau in Deutschland war immer ein soziales Gut. Wir brauchen – neben seniorengerechten Wohnungen – deutlich mehr kostengünstigen Wohnraum in guter Qualität. Und das insbesondere auch für Singles und junge Familien, damit sie da wohnen können, wo sie wohnen wollen und wegen der Arbeit wohnen müssen“, so Thurn.
In Deutschland müssten jährlich rund 250.000 Wohnungen neu gebaut werden, sagt Hans Georg Leuck. Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) kritisiert, dass der Wohnungsneubau seit Jahren unter dem tatsächlich benötigten Bedarf liege. Von der Politik ebenfalls stiefmütterlich behandelt: der Ersatzneubau. Es sei falsch, die KfW-Förderprogramme ausschließlich auf das energetische oder altersgerechte Sanieren auszurichten. „Wer abreißt und neu baut, hat die Chance, eine verbesserte Wärmedämmung und Schallschutz sowie eine ideale Raumaufteilung zu bekommen“, sagt Hans Georg Leuck.
Der Präsident vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB), Hans-Hartwig Loewenstein, fordert, den Bestandsersatz dringend mit in die staatliche Förderung aufzunehmen. Die Sanierung eines Mietshauses aus den 50er-Jahren liege – je nach Aufwand – zwischen 990 und 1.475 Euro pro Quadratmeter. „Für den Abriss und den anschließenden Neubau muss man dagegen lediglich mit Kosten von 1.000 bis 1.465 Euro je Quadratmeter Wohnfläche rechnen. Unter diesen Vorzeichen macht das Sanieren wenig Sinn“, so Loewenstein.
Zur Kampagne „Impulse für den Wohnungsbau“ gehören der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM), der Deutsche Mieterbund (DMB), die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB).