Fachlich-unternehmerisch Qualifizieren, Beratung nutzen und Gründen – Der Dreischritt für nachhaltige Selbstständigkeit
Kammer stellt aktuelle Ergebnisse ihrer Existenzgründer-Analysen vor – Deutlich erhöhte Persistenz von Betriebseröffnungen und –übernahmen durch Meister – 9.000 Betriebe stehen zur Übergabe an – HWK ermutigt Gründungswillige zu Nachfolge.
Das Ziel der unternehmerischen Selbstständigkeit im Handwerk bleibt für Gründer mit Meisterqualifikation in den Gewerken mit und ohne Meisterpflicht ein nächster logischer Karriereschritt auf Basis sorgfältiger fachlicher Vorbereitung. Der Wille, eine Idee oder das eigene Können auf eigene Rechnung und Risiko lieber selbst zu vermarkten, sei „heute wie eh und je ein Hauptantrieb für qualifizierte Gründungswillige, sich beruflich auf eigene Füße zu stellen“, informierte der Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf Prof. Wolfgang Schulhoff am Donnerstag auf einer Pressekonferenz. Dies bestätigten sowohl wiederholte Umfragen der Kammer unter den Meisterabsolventen eines Prüfungsjahrgangs als auch die Analysen der Betriebsberatung der größten deutschen HWK. Diese dokumentiert und wertet den Beratungsbedarf und die Beratungsthemen systematisch aus. Auch die Fortsetzung einer unternehmerischen Familientradition (mit allerdings rückläufiger Tendenz) und ein erwarteter Mehrverdienst gehören danach zu den besonders häufig genannten Motiven zur Firmengründung.
Daneben hat sich mit dem Anwachsen der Gründungstätigkeit in den sog. zulassungsfreien Handwerken, die keine besondere Qualifikation voraussetzen, auch das Ausweichen vor drohender oder bereits eingetretener Arbeitslosigkeit als ein wichtiger gewordenes Motiv zur Betriebsgründung entwickelt.
Das Gros der Gründer in Berufen ohne Zulassungspflicht geben der HWK bei der Eintragung im Übrigen keinerlei fachliche oder kaufmännische Vorqualifikation an. Ihr Risiko, nicht nur am Arbeitsmarkt, sondern auch als Unternehmer zu scheitern, ist entsprechend überdurchschnittlich stark ausgeprägt. Nur 36 % der Betriebe, die im Jahr 2007 von diesem Personenkreis in das Handwerksverzeichnis für zulassungsfreie Gewerbe eingetragen worden sind, existieren heute noch.
Dagegen sind die Unternehmensgründungen von Meistern aus dem gleichen Jahr deutlich bestandskräftiger: im Vollhandwerk (Berufe mit Meisterpflicht) existieren 66 % der von Meistern gegründeten Firmen weiterhin; in den zulassungsfreien Handwerken sogar 73 % der Betriebe mit einem meisterqualifizierten Inhaber. Neben dem fachlichen Vorsprung ist nach Erkenntnis der Kammerbetriebsberatung eine hohe Eigenmotivation das „größte Überlebens-Plus“ der qualifizierten Gründer und Übernehmer, so Schulhoff. „Und eine geringe Neigung, sich beraten oder gar nachqualifizieren zu lassen, das existenziellste Handicap schwach qualifizierter Existenzgründer“, fasste der Kammerpräsident die Erkenntnislage zum Eignungsprofil angehender Selbstständiger im Handwerk zusammen.
Wichtigste konkrete Auslöser für den Gründungsschritt liegen im „richtigen Zeitpunkt“: wenn mehrere Voraussetzungen wie bewältigte Aus- und Fortbildung, Kapital, Geschäftsidee und Marktsituation (z.B. entdeckte Marktlücke) gleichzeitig „stimmen“. Auch Ereignisse im persönlichen Umfeld – etwa der Tod des Vaters und Firmeninhabers und die sich eröffnende Chance zur Firmenübernahme – sind häufig bekundete Schlüsselereignisse.
Gründungswillige im Handwerk trotzen bewusst vor allem hohen finanziellen Risiken. Diese betreffen Investitionskosten zwischen mehreren tausend bzw. zehntausend Euro für mobile Einbau-, Reparatur- und Wartungstätigkeiten und bis zu einer halben Million Euro etwa im Kraftfahrzeuggewerbe. Dazu kommen in der Regel Einkommenseinbußen in der Anlaufphase und kompensatorische Aufwendungen für den Ausstieg aus dem sozialen Sicherungsnetz. Qualifizierte Gründer sind sich ferner des täglichen Bemühens um Kunden und Aufträge und generell der starken Arbeitsbelastung bewusst, die auf sie zukommt. Nach dem Ergebnis einer aktuellen Befragung der Landes-Gewerbeförderungsstelle des nordrhein-westfälischen Handwerks (LGH) mit der Universität Lüneburg sind vom Land in den letzten zehn Jahren geförderte Neugründer und Neu-Übernehmer mit Meisterbrief im Schnitt 56 Stunden pro Woche tätig. Mit einer 40-Stunden-Woche kommen nicht einmal drei Prozent der Jungunternehmer mit Meistergründungsprämie aus.
Scheitern Gründer, so sind vor allem eine Unterfinanzierung (Ursache in 7 von 10 Fällen); und Informationsdefizite (bei 60%) sowie Qualifikationsmängel (48%) die Hauptursache; gefolgt von Planungsfehlern und Familienproblemen (je 3 von 10 Fälle). „Die erstgenannten drei Hauptdefizite lassen sich unter der Überschrift ‚mangelhafte Vorbereitung‘ zusammenfassen“, konstatierte Schulhoff.
Im Einzelnen warnt die Betriebsberatung insbesondere vor voreiligen Vertragsabschlüssen für Immobilien und anderes Betriebsvermögen, vor nachlässiger Ermittlung des Kapitalbedarfs, unzureichender Marktkenntnis, mangelndem Controlling und vor einem überhöhten Kaufpreis bei Betriebsübernahmen. „Der Ertragswert als Regelverfahren zur Ermittlung des Unternehmenswertes setzt bei der Rentabilität, nicht beim Verkaufswert von Anlagen, Maschinen und Gerät an“, betonte Schulhoff, der im Übrigen vehement für die Bereitschaft zur Übernahme eines bestehenden Unternehmens warb. „9.000 Handwerksunternehmen sind in den nächsten fünf Jahren alleine im Kammerbezirk Düsseldorf auf Nachfolgersuche. Ende des letzten Jahrzehnts waren es erst 6.500 Betriebe. Dieser Übergabestau bietet nicht zuletzt leistungsstarken Schulabgängern aus den weiterführenden Schulen große Chancen auf ein Leben als Chef mit Meisterstatus und eigenem Unternehmen.“ Für die Variante der Gründung durch Nachfolge spreche „ausdrücklich“ die bereits vorhandene Betriebsausstattung, Kundenstamm und Lieferanten sowie eingearbeitete Mitarbeiter. Voraussetzung für eine erfolgreiche Gestaltung des Übernahmeprozesses sei – „mehr noch als bei der Existenzgründung auf grüner Wiese“: sie sollte „keinesfalls ohne unabhängige Beratung“ getroffen werden. Die Kammern helfen bei der Vermittlung geeigneter Partner und bei der Bewältigung von versteckten Risiken wie Investitionsstau, Pflicht zur Übernahme der Arbeitskräfte und langfristiger Verträge sowie Verbindlichkeiten.
Die Betriebsberatungsstelle der Kammer hat dabei auch die Seite der Altinhaber fest im Blick. So sucht sie durch systematische, frühzeitige Kontaktnahme mit Betrieben mit Inhabern in ihren 50er Lebensjahren dem Problem des Investitions- und Innovationsstaus, unzureichender Altersversorgung, überhöhter Ansprüche an Nachfolge-Interessenten sowie an den Kaufpreis durch den Einsatz von Nachfolgelotsen gezielt entgegenzuwirken. Ein gestaffeltes Angebot an Informationstagungen zu erb- und steuerrechtlichen Fragen des Betriebsübergangs und geeigneten Finanzierungsmöglichkeiten soll die Nachfolgeberatung künftig abrunden. Um die potenzielle Nachfrage zu stärken, hat die Kammer ferner mit einer proaktiven Sensibilisierung von „Hoffnungsträgern“ – etwa Gesellen und Meistern mit guten Prüfungsergebnissen – begonnen.
Die Entscheidung pro Selbstständigkeit – ob in Neugründung oder als Firmennachfolger – erweist sich im Nachhinein für entsprechend gut vorbereitete Jungunternehmer übrigens in aller Regel als ein kalkulierbares Risiko. 90 Prozent der von der Landesgewerbestelle Handwerk befragten Jung-unternehmer mit Meisterbrief können ihren Lebensunterhalt heute ganz oder nahezu vollständig bestreiten. Die Netto-Umsätze ihrer Betriebe lagen 2012 im Schnitt bei 462.000 € nach 455.000 € im Jahr 2011. Die untersuchten Firmen beschäftigten im Mittel 6 Mitarbeiter; selbst die nach 2007 von Meisterabsolventen gegründeten oder übernommenen Betriebe zählen bereits 5 Beschäftigte. Schulhoff: „Angesichts eines solchen Wachstumserfolgs kann es nicht wirklich überraschen, dass auch 87% der mit Meisterbrief und Gründungszuschuss ausgestatteten Jungunternehmer den Schritt in die berufliche Unabhängigkeit heute erneut gehen würden.“