Bundesregierung will Meisterbrief verteidigen

„Weniger Qualifikation und Qualität, sinkende Ausbildungszahlen – das will noch nicht einmal die EU“, so  ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer im Interview mit der Zeitschrift MIT Magazin (Märzausgabe). Sie muss jedoch verstehen: „Meisterbrief und Ausbildung im Handwerk sind zwei Seiten einer Medaille“, so Wollseifer.

Haben Sie das Berliner Parkett schon ein wenig daraufhin abgeklopft, was im Sinne des Handwerks geht und was nicht?

Hans Peter Wollseifer: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat uns ja in Ihrer Rede anlässlich der Amtsübergabe zugesichert, sich weiterhin persönlich um wichtige Anliegen des Handwerks kümmern zu wollen. Für diesen Vertrauensbeweis bin ich dankbar. Die ersten Gespräche mit Bundeswirtschaftsminister Gabriel haben ebenfalls gezeigt, dass gerade beim Thema Energiewende eine große Offenheit besteht, drängende Probleme gemeinsam mit dem Handwerk zu lösen.

Die politischen Interessen des Mittelstandes und des Handwerks sind ja weitgehend identisch. Was halten Sie denn von den Renten-Beschlüssen der großen Koalition?

Wollseifer: Gar nicht im Sinne des Handwerks und des Mittelstandes ist die Rolle rückwärts bei der Rente mit 67. Es ist Klientelpolitik, eine kleine Gruppe  mit der Rente mit 63 zu beglücken, während alle anderen bezahlen müssen – Arbeitnehmer und Arbeitgeber über höhere Beiträge, Rentner über niedrigere Rentenerhöhungen. Junge Leute büßen sogar  doppelt, über höhere Beiträge und späteren Rentenbeginn.

Stichwort ‚Facharbeiter- oder Mittelstandsbauch beim Einkommensteuer-Tarif‘. Haben Sie einen Plan, wie man die Bundesregierung endlich zum Handeln bringt?

Wollseifer: Die kalte Progression ist eine „heimliche Steuererhöhung“. Wir erwarten in diesem Herbst die erstmalige Vorlage eines Tarifberichts über die Wirkung der kalten Progression. Dazu hatte sich die Vorgängerregierung verpflichtet. Die Rückgabe der Mehreinnahmen aus der kalten Progression muss danach wieder auf die politische Agenda – auch wenn der Koalitionsvertrag dazu nichts aussagt.

Die zu geringen Abschreibungsmöglichkeiten sind ein anhaltendes Ärgernis. Könnte man nicht wenigstens die energetische Gebäudesanierung durchsetzen?

Hans Peter Wollseifer: Energieeffizienz wird bisher zu stiefmütterlich behandelt. Dabei gilt doch, dass eingesparte Energie gar nicht erst produziert oder transportiert zu werden braucht. Bund und Länder wollen wir überzeugen, bei der steuerlichen Förderung der Gebäudesanierung einen gemeinsamen Weg zu finden. Das kann wie ein Konjunkturprogramm wirken und wird dem Staat letztlich mehr Geld über Steuern und Sozialbeiträge in die Kassen spülen, als er Mindereinnahmen durch die Förderung hat.

Sie sind selbst Maler- und Lackierermeister. Wie retten wir den Meisterbrief aus den Fängen der EU?

Wollseifer: In den zulassungsfreien Handwerken verfügten 2013 noch nicht einmal 5 Prozent der Gründerinnen und Gründer über einen Gesellen- oder Meisterbrief. Das führt unweigerlich zu weniger Qualifikation und Qualität, sowie sinkenden Ausbildungszahlen. Das will noch nicht einmal die EU. Die Spitzenqualifikation Meisterbrief und die Qualität der dualen Ausbildung im Handwerk sind zwei Seiten einer Medaille. Die Bundesregierung hat daher im Koalitionsvertrag verankert, dass sie den Meisterbrief in Brüssel verteidigen will.

Wir haben Karnevalszeit. Fällt es Ihnen schwer, Ihre Heimatstadt Köln derzeit in Richtung Berlin zu verlassen?

Wollseifer: Keine Angst, für Frohsinn reicht die Zeit in der Heimat. Und Narretei findet man ja in Berlin ebenso, wenn auch in anderer Form.

Interview: Günter F. Kohl

Quelle: ZDH