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Urlaubsansprüche verfallen bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit nach 15 Monaten

Ist der Arbeitnehmer dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt, begrenzt sich der Übertragszeitraum seiner Urlaubsansprüche gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG auf 15 Monate: Am 22.11.2011 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass über mehrere Jahre an- gesammelte Urlaubsansprüche, die ein Arbeitnehmer wegen lang anhaltender Krankheit nicht nehmen kann, zeitlich befristet werden können. Nach Auffassung des EuGH sei dementsprechend eine tarifvertragliche Regelung, wonach Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub bei Langzeiterkrankungen nicht zeitlich unbegrenzt angesammelt werden können, sondern 15 Monate nach Ablauf des Bezugszeitraums erlöschen, europarechtskonform (vgl. dazu UDH- Rundschreiben Nr. 135/11 vom 01.12.2011).

In Reaktion auf diese EuGH-Rechtsprechung hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg am 21.12.2011 (Az.: 10 Sa 19/11) festgestellt, dass Urlaubsansprüche gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit spätestens 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres untergehen.

I. Sachverhalt

Der Kläger war in der Zeit von 2006 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.11.2010 arbeitsunfähig erkrankt. Aufgrund der Erkrankung war es ihm nicht möglich, seinen Urlaub für die Jahre 2007 bis 2009 tatsächlich zu nehmen. Als der ehemalige Arbeitgeber die Abgeltung der Urlaubsansprüche verweigerte, erhob der Arbeitnehmer Klage.

II. Entscheidungsgründe

Nach den Feststellungen des LAG Baden-Württemberg steht dem Kläger lediglich ein Ur-laubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2009 zu. Die Urlaubsansprüche aus den Jahren 2007 und 2008 seien dagegen zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus dem Arbeitsver- hältnis bereits verfallen gewesen. Dies resultiere aus der Regelung des § 7 Abs. 3 BUrlG. Diese Norm lege fest, dass der Urlaubsanspruch am Ende des ersten Quartals des Folgejahres un- tergeht.

In seiner Urteilsbegründung verweist das LAG zwar darauf hin, dass das Bundesarbeitsgericht in Umsetzung der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Schulz-Hof“(EuGH,Urt.v. 20.01.2009 –C-350/06) im Wege der unionsrechtskonformen Rechtsfortbildung entschieden habe, dass gesetzliche Urlaubsabgeltungsansprüche in den Fällen nicht erlöschen, in denen der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und bzw. oder des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt sei (BAG, Urt. v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07).

Folge man jedoch der Entscheidung des EuGH vom 22.11.2011 (Az.: C-214/10), sei ein unbe- grenztes Ansammeln von Urlaubsansprüchen über mehrere Jahre hinweg nicht geboten. Eine nationale Bestimmung, die eine Begrenzung des Übertragungszeitraums von 15 Monaten vorsehe, stehe dem Europarecht nicht entgegen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass eine Abweichung von der durch den nationalen Gesetzgeber statuierten Befristungsregelung in § 7 Abs. 3 BUrlG im Wege der unionsrechtlichen Rechtsfortbildung durch die nationale Rechtsprechung

nur insoweit legitimiert sei, als es das Unionsrecht erfordere. Bei einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers gingen deshalb Urlaubsansprüche spätestens 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres unter. Sie seien somit auch bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abzugelten.

III. Bewertung

Nach der Entscheidung des LAG Baden-Württemberg erlöschen die Urlaubsansprüche bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit auf der Grundlage einer unionsrechtskonformen Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG spätestens 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres. So begrü- ßenswert das Urteil vom Ergebnis her erscheint, so fraglich gestaltet es sich in seiner Argumentation. Der EuGH hatte in seiner Entscheidung vom 22.11.2011 nur festgestellt, dass eine tarifvertragliche Regelung, die (anders als § 7 Abs. 3 BUrlG) eine 15-monatige Übertragungsfrist beinhaltet, europarechtlich nicht zu beanstanden sei. Ob sich eine solche 15-monatige Verfalls- frist ohne Weiteres in § 7 Abs.3 BUrlG hineininterpretieren lässt, ist fraglich.

Es bleibt insoweit abzuwarten, ob sich andere Gerichte der Rechtsprechung des LAG Baden-Württemberg anschließen. Rechtssicherheit über die maßgebende Verfallsfrist lässt sich letztlich nur über eine gesetzliche Präzisierung des Urlaubsrechts auf europäischer oder nationaler Ebene erzielen.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, die bislang lediglich als Pressemitteilung vorliegt, ist zu Ihrer Kenntnisnahme auf den Internetseiten des Gerichts abrufbar unter:

http://www.lag-baden-wuerttemberg.de/servlet/PB/menu/1273195/index.html?ROOT=1149275