Steuerpolitik: Das erwartet das Handwerk

Die großen Parteien versprechen den Bürgern und Betrieben Steuerentlastungen in Milliardenhöhe. Der Reformwille geht dem Handwerk in vielen Punkten aber nicht weit genug, betont ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke im Interview mit dem Handwerksblatt. Erschienen in der Ausgabe vom 21. September 2017.


Holger Schwannecke (56) ist seit sieben Jahren Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) in Berlin, der die Interessen von über einer Million Handwerksbetriebe in Deutschland vertritt. Von der künftigen Bundesregierung erwartet er deutliche Entlastungen. Die Kassen sind voll und die Steuereinnahmen sprudeln wie nie.

Herr Schwannecke, alle größeren Parteien versprechen den Bürgern Steuerentlastungen. Wie beurteilt das Handwerk die Vorschläge?
Schwannecke: Das Handwerk tritt bereits seit Längerem dafür ein, den Einkommensteuertarif abzuflachen. Insofern ist es zu begrüßen, dass CDU/CSU und SPD das laut ihren Wahlprogrammen nun auch wollen. Allerdings gibt es bei der SPD und auch bei den Grünen Überlegungen, die Steuersätze bei höheren Einkommen anzuheben, um die Entlastung bei den niedrigeren Einkommen gegen zu finanzieren. Das ist dann aber keine Steuerentlastung, sondern eine Umverteilung und würde unsere Betriebe stark belasten. Im Handwerk sind rund 80 Prozent aller Betriebe Einzelunternehmen oder Personengesellschaften. Für sie ist die Einkommensteuer auch die Unternehmensteuer. Zwar haben wir in den letzten Jahren eine Abmilderung der kalten Progression erlebt, aber die Belastung ist immer noch sehr hoch im Vergleich zu GmbHs und Aktiengesellschaften. Sowohl im mittleren Bereich als auch im Spitzensteuersatz, der ja schon bei 54.000 Euro anfängt. Das Problem entsteht im Handwerk vor allem dann, wenn Gewinne erzielt und im Unternehmen gelassen werden, um künftige Investitionen zu finanzieren. Sie werden dann sofort mit dem Höchststeuersatz oder einem sehr hohen Steuersatz belegt. 2014 war das Jahr der ersten schwarzen Null im Bundeshaushalt. Damals hatten wir eine Steuerquote von ungefähr 22 Prozent. Würde man die Steuerquote beibehalten wollen, hätten wir bis 2020 ein Entlastungsvolumen von ungefähr 40 Milliarden Euro. Vor diesem Hintergrund ist eine Gegenfinanzierung aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar.

Damit Einzelunternehmen und Personengesellschaften Gewinne für geplante Investitionen im Unternehmen lassen können, ohne dass gleich der Spitzensteuersatz fällig wird, fordert das Handwerk mehr Steuergerechtigkeit. Stichwort „Rechtsformneutralität”. Was tut sich da?
Schwannecke: Es gibt im deutschen Steuerrecht die sogenannte Thesaurierungsrücklage. Gewinne, die im Unternehmen gelassen werden, werden zunächst mit einem niedrigeren Steuersatz belastet und erst im Zuge der Ausschüttung an die Gesellschafter stärker besteuert. Das ist eine Annäherung an die Verhältnisse bei der GmbH oder Aktiengesellschaft. Allerdings sind bei uns die Regelungen dazu nicht praxistauglich ausgestaltet, sodass bundesweit nur einige hundert Betriebe mit großen Gewinnen davon partizipieren. Seit Jahren mahnen wir hier Veränderungen an, damit auch kleine Betriebe das nutzen können. Die Notwendigkeit einer Überarbeitung dieser Regelungen ist bei nahezu allen Parteien unstrittig. Aber trotz mannigfaltiger Bemühungen, vieler Gespräche und einer positiven Grundeinstellung ist bisher leider nichts passiert. Es ist ein Dauerauftrag für die nächste Legislaturperiode, dieses Versprechen endlich einzulösen. Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch.

Ein weiteres Wahlkampfthema ist der Solidaritätszuschlag. CDU/CSU und SPD wollen ihn zwar abschaffen, aber nicht sofort und nicht komplett. Der Abbau des Soli ist eine langjährige Forderung des Handwerks, hätten Sie sich mehr erhofft?
Schwannecke: Der Solidaritätszuschlag sollte ja als zeitweise Finanzierung der Sonderlasten aus der Wiedervereinigung dienen. Jetzt sind wir schon etliche Jahre nach der Wiedervereinigung. Mittlerweile fließt nur noch ein Drittel des Aufkommens überhaupt in die neuen Länder. Hier muss man schon mal die Frage stellen: Ist das eigentlich noch zeitgemäß? Wir setzen uns daher schon seit Jahren für einen zügigen Abbau des Solidaritätszuschlages nach dem Auslaufen des Solidarpaktes II nach 2019 ein. Der Ausstieg sollte in jedem Fall schneller erfolgen, als es derzeit im Finanzministerium angedacht ist. Wir würden uns einen konkreten Fahrplan wünschen, wann der Solidaritätszuschlag endgültig ausläuft. Wenn diese 5,5 Prozent Zuschlag wegfielen, würden Arbeitgeber und Arbeitnehmer deutlich entlastet. Den Soli nur für bestimmte Einkommensgruppen abzuschaffen, ist für uns nicht akzeptabel, denn eine Zweiklassengesellschaft kommt für das Handwerk nicht infrage.

Wie beurteilen Sie die Pläne zur Einführung einer steuerlichen Forschungs- und Entwicklungsförderung, die Konsens in nahezu allen Parteien ist?
Schwannecke: Wir stehen dem nicht ablehnend gegenüber, betonen aber immer wieder, dass im Handwerk eine kontinuierliche Forschung in eigenen Forschungsabteilungen wie etwa in der Pharmaindustrie in der Regel nicht stattfindet. Der durchschnittliche Betrieb hat fünf Mitarbeiter. Wir im Handwerk haben in den letzten Jahren mit bestehenden direkten Förderungen, etwa der Projektförderung ZIM, sehr gute Erfahrungen gemacht. Mit Blick auf die Digitalisierung und andere Herausforderungen des Handwerks brauchen wir weiterhin diese Projektförderung. Eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung kann natürlich ein gutes On-Top sein, aber es darf nicht dazu führen, dass weniger in die Projektförderung fließt.

Eine wichtige Einnahmequelle der Kommunen ist die Gewerbesteuer. Getragen wird sie zum großen Teil vom Mittelstand. Was sind da Ihre Kritikpunkte?
Schwannecke: Im Rahmen der letzten Unternehmenssteuerreform 2008 wurde die Gewerbesteuer an einigen Stellen deutlich verschärft. Damals wurden die Körperschaftsteuersätze gesenkt und im Gegenzug – um die Finanzierung sicherzustellen – die Hinzurechnungen teilweise auf Mieten, Zinsen und Pachten ausgeweitet. Das ist ein Problem für Betriebe, denen es wirtschaftlich nicht so gut geht. Durch die Hinzurechnung dieser Aufwendung zahlen sie Gewerbesteuern, obwohl sie keinen Gewinn haben. Das sehen wir sehr kritisch, da die Betriebe über die Maßen belastet werden, und dies auf eine Substanzbesteuerung hinausläuft. Wir setzen uns dafür ein, dass diese Hinzurechnungstatbestände wieder zurückgefahren werden.

Welche Entlastungen fordern Sie darüber hinaus für das Handwerk?
Schwannecke: Für Unternehmen, die jenseits der Grenzen Leistungen erbringen, ist die Umsatzsteuer hochkomplex. Selbst Fachleute müssen jedes Mal überlegen, wo und durch wen die Steuer nun abzuführen ist. Das ist insbesondere für Handwerker im Baubereich ein Problem, die private Häuser im Ausland bauen, modernisieren oder sanieren. Die Umsatzsteuer ist zwar in Europa harmonisiert, aber in den Details pflegt dann doch jedes Land seine Besonderheiten. Wir plädieren seit Jahren dafür, dass die Betriebe und deren Steuerberater nur mit den deutschen Finanzbehörden in Kontakt stehen müssen und hier ihren Steuerpflichten nachkommen. Die Länder sollen dann untereinander das Aufkommen verteilen. Deutschland ist einer der Mitgliedstaaten, die da etwas auf der Bremse stehen. Europa will das vorantreiben, aber das ist ein langer Weg.

Ein Thema, das Bäcker, Fleischer oder Friseure bewegt, sind die neuen Anforderungen an fälschungssichere Kassensysteme.
Schwannecke: Nicht jeder, der eine Kasse hat, hinterzieht Steuern – ein solcher Generalverdacht ist unangemessen. Für eine ordnungsgemäße Kassenführung sind erhebliche bürokratische Aufzeichnungen nötig. Dazu kommen für die Betriebe noch die Mindestlohnaufzeichnungen und bei Bäckern oder Metzgern noch das Lebensmittelrecht mit seinen umfangreichen Dokumentationspflichten. Sicher: Steuerbetrug muss bekämpft werden, das unterstützen wir im Handwerk ausdrücklich, aber bitte mit Mitteln, bei denen die Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Nutzen gewahrt bleibt.

Das Interview führte Kirsten Freund