Flüchtlinge zur Ausbildung im Handwerk willkommen
Jugendliche Flüchtlinge sollen eine Ausbildung im Handwerk absolvieren. ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer fordert im Interview mit der Rheinischen Post (27. Dezember) von der Bundesregierung ein Aufenthaltsrecht, dass es erlaubt, eine begonnene Ausbildung auch zu beenden. Kritik übt Wollseifer an der Rente ab 63 und den Folgen: „Viele erfahrene Fachkräfte gehen uns von der Fahne.“
Wie sieht der Ausblick auf das Handwerksjahr 2015 aus?
Wollseifer: 2014 war ein wirklich gutes Jahr für das Handwerk – mit einem Umsatzwachstum von zwei Prozent. Das wird sich 2015 nicht wiederholen lassen. Wir erwarten ein geringeres Wachstum von ein bis 1,5 Prozent und lediglich stabile Beschäftigungszahlen. Für das geringere Wachstum gibt es neben den Krisen im Ausland vor allem viele hausgemachte Gründe. Die Regierung hat den Unternehmen zusätzliche dauerhafte Kosten aufgebürdet – durch die Rente mit 63, die Mütterrente, höhere Pflegebeiträge, die Pflege-Teilzeit und den Mindestlohn. In der Summe erhöht das die Lohn- und Lohnzusatzkosten – und das ist Gift für die weitere Entwicklung.
Spüren Sie im Handwerk schon jetzt die Folgen der Rente mit 63?
Wollseifer: Ja. Uns gehen viele gute, erfahrene Fachkräfte von der Fahne. Denn das Angebot, nach 45 Jahren abschlagsfrei schon mit 63 in Rente gehen zu können, ist für viele berauschend attraktiv. Auch in meinem Betrieb nimmt das ein Fachmann an, den ich gerne noch mindestens zwei Jahre weiter beschäftigt hätte. Das belastet die Betriebe, denn in vielen Regionen finden wir ja jetzt schon kaum noch neue Fachkräfte. Mit der Rente mit 63 werden per Gießkannenprinzip einfach ganze Jahrgänge beglückt, gesunde Mitarbeiter, die gut noch länger hätten arbeiten können.
Die Rente mit 63 wurde aber doch gerade auch mit Blick auf das Handwerk erfunden, weil viele in körperlich anstrengenden Berufen nicht länger arbeiten können, ich erinnere an den berühmten Dachdecker…
Wollseifer: Das ist vor allem eine Regelung für Industriearbeiter und den öffentlichen Dienst. Wir haben im Handwerk Verständnis für alle Älteren, die körperlich nicht mehr können. Unsere Betriebe versuchen zunächst, diese Mitarbeiter dort, wo es geht, in weniger belastenden Tätigkeiten einzusetzen. Wenn es gar nicht mehr geht, gibt es die Erwerbsminderungsrente.
Welches Ungemach droht dem Handwerk von der neuen EU-Kommission?
Wollseifer: Die EU-Kommission überprüft derzeit alle sogenannten regulierten Berufe, darunter 41 Handwerksberufe, bei denen in Deutschland der Meisterbrief Voraussetzung für die Selbständigkeit ist. Wir haben in Brüssel deutlich gemacht, dass Qualifikation keine Marktzugangsbeschränkung ist, sondern dass wir Konkurrenz unter Qualifizierten wollen. Der Meisterbrief ist ja kein überholtes Zertifikat, sondern die Basis unseres dualen Ausbildungssystems. Meisterinnen und Meister sind nicht nur fachliche Könner, sie haben auch Betriebsführung und Ausbildungspädagogik gelernt. Sie ermöglichen qualifizierte Ausbildung auch in kleinen Betrieben. Überall da, wo es die duale Ausbildung gibt, haben wir die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Im Übrigen ist unser Markt doch offen. Zehntausende Ausländer lernen und arbeiten im Handwerk.
Haben Sie in diesem Abwehrkampf die schwarz-rote Koalition an Ihrer Seite?
Wollseifer: Ja. Die Bundeskanzlerin hat klar gesagt, mit ihr sei die Abschaffung des Meisterbriefs nicht zu machen. Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und die Bundesländer stehen voll hinter uns und der Deutsche Bundestag hat vor Weihnachten einen entsprechenden Entschluss gefasst.
Beim steuerlichen Handwerkerbonus sieht es nicht ganz so aus: Er soll gekappt werden, um die steuerliche Förderung für energetische Gebäudesanierung zu finanzieren.
Wollseifer: Zunächst einmal: Das Handwerk ist ein unverzichtbarer Treiber der Energiewende. Über 30 Branchen mit mehr als 1,5 Millionen Beschäftigten arbeiten daran, die Energieeffizienz in unseren Gebäuden zu verbessern. Deutschland muss bei der Reduktion des CO2-Ausstoßes künftig viel mehr tun als bisher. Dabei müssen wir uns endlich über mehr Einsparungen bei der Heizenergie unterhalten. Deshalb brauchen wir die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung unbedingt.
Aber der bestehende Handwerkerbonus soll im Gegenzug nicht gekürzt werden?
Wollseifer: Es ist einfach falsch, beides miteinander zu verknüpfen. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge: Das eine ist gut für den Klimaschutz, das andere gut gegen Schwarzarbeit. Der Steuerbonus ist unverzichtbar, weil er dabei hilft, Schwarzarbeit zu bekämpfen.