„Kalte Progression korrigieren!“
Die „kalte Progression“ im Steuersystem wirkt wie eine Steuererhöhung. Im Interview mit der Esslinger Zeitung fordert Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), ihren Abbau: „Wenn eine Koalition verspricht, keine Steuererhöhungen vorzunehmen, dann muss sie die kalte Progression korrigieren.“
Früher mussten Schulabgänger um einen Ausbildungsplatz kämpfen, heute scheint es in immer mehr Regionen an Lehrlingen zu mangeln: Gerät das Handwerk deshalb schon bald in Schwierigkeiten?
Wollseifer: Mittelfristig werden uns die Fachkräfte fehlen. Das wollen wir verhindern. Angebot und Qualität des Handwerks sollen Spitze bleiben. Wo das nicht gelingt, wird es auch für die Kunden zu spüren sein. In vielen Regionen gestaltet sich die Nahversorgung bereits schwieriger. Noch bietet das Handwerk auch in den ländlichen Räumen Ausbildung in Zukunftsberufen – es muss den Jugendlichen, ihren Eltern und Lehrern aber bewusst werden, dass sie dieses Angebot auch nutzen müssen.
Manche Betriebe locken Azubis sogar mit Prämien und Geschenken. Wie viele Lehrstellen im Handwerk drohen in diesem Jahr unbesetzt zu bleiben?
Wollseifer: Kaum weniger als im Vorjahr, als fast 15.000 Ausbildungsplätze unbesetzt blieben. Statt sinnlos Geschenke zu verteilen, machen größere Handwerksbetriebe ihre Ausbildung erfolgreich zur Marke. Mit Homepage für Azubis, Praktika-Angeboten, Elterngesprächen, Karriereberatung. Dazu gehört auch gesellschaftliches Engagement für schwächere Schulabgänger. Mit Nachhilfe oder anderen ausbildungsbegleitenden Hilfen wird versucht, sie zum Ausbildungserfolg zu führen.
Der Trend geht zum Hochschulstudium, das Interesse an der dualen Berufsausbildung schwindet. Setzt die Politik die falschen Akzente?
Wollseifer: Die Politik hat jahrzehntelang gepredigt, dass sich Erfolg wie Studium buchstabiert. Leistungsvermögen und Kompetenzen von Meisterinnen und Meistern wurden unterschätzt. Das ist jetzt korrigiert – Bachelor und Meisterbrief stehen als Abschluss auf einer Stufe. Aber es fällt Politik und Gesellschaft schwer, jetzt umzudenken. Doch für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist es lebenswichtig, dass berufliche und akademische Bildung als gleichwertig gelten. Ohne Menschen mit praktischem Wissen und Kompetenzen, verlieren wir schnell den über die erfolgreiche duale Ausbildung gewonnen Vorsprung.
Das ganze Interview auf www.zdh.de
Interview: Rasmus Buchsteiner