Diesel: „Derjenige, der Fehler macht, muss dafür geradestehen“
Fahrverbote, Ausbildung, der ländliche Raum und die aktuelle politische Debatte um Rechtstendenzen in Deutschland beschäftigen auch das Handwerk. ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer im Interview mit der Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen.
Herr Wollseifer, Frankfurt wird nach Hamburg und Stuttgart die dritte Großstadt sein, in der es wohl zu Fahrverboten für Dieselfahrzeuge kommt. Wie sehr beeinträchtigen diese das Handwerk?
Es geht gar nicht, dass das Handwerk, aber auch die Bürger dafür geradestehen sollen, was Automobilkonzerne und Politik verbockt haben. Das werden wir so nicht akzeptieren. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig lässt ja durchaus Ausnahmen für Handwerker gelten. Allerdings gilt das nicht für Mitarbeiter, und die müssen schließlich auch in den Betrieb kommen. Politik und Automobilindustrie sind in der Pflicht, tragfähige Lösungen für die Wirtschaft und die Bürger zu finden.
Und wer soll die bezahlen?
Derjenige, der Fehler macht, muss dafür geradestehen. Da sollten die verantwortlichen Automobilkonzerne nicht versuchen, sich einen schlanken Fuß zu machen. Das Handwerk steht auch für seine Gewährleistungspflichten ein. Handwerker sind millionenfach Kunden der Autoindustrie. Wir fordern die Nachrüstung, weil sie die einzige schnell wirksame Maßnahme ist, um den Schadstoffausstoß zu senken. Und wir fordern, dass die Verursacher zahlen.
Letztlich geht es um Qualität. Sie fürchten um die Qualität im Handwerk, nachdem der Meisterzwang für viele Berufe mit der Handwerksnovelle 2004 aufgehoben wurde, man also keinen Meister mehr braucht, um einen Betrieb zu eröffnen.
So ist es. Wer bildet aus, wenn es immer weniger Meister gibt, die ihr Wissen weitergeben? Wir befinden uns nach 14 Jahren Deregulierung in einer Dequalifizierungsspirale – weniger Ausbildung, weniger Fachkräfte. All das haben wir nicht selbst verschuldet. Gleichzeitig werden die Ansprüche an Fachkräfte immer größer, gerade in Zeiten der Digitalisierung.
Andererseits boomt das Handwerk. Braucht man einen Handwerker, muss man lange warten.
Ja, es boomt in vielen Branchen. Aber gerade in den deregulierten Gewerken haben wir weniger Gesellen- und Meisterprüfungen. Das können wir uns als wirtschaftlich starke und innovative Nation nicht leisten. Wir verlieren unseren Vorsprung. Die duale Ausbildung wird weltweit geschätzt, und wir diskutieren darüber. Dabei beschert sie uns europaweit eine der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeiten. Wir bilden ja nicht nur für unsere Betriebe aus, sondern auch Feuerwehr, Polizei, Technisches Hilfswerk und die Industrie beschäftigen gerne im Handwerk ausgebildete Fachkräfte.
Sie fordern eine Höhere Berufsausbildung, was ist darunter zu verstehen?
Wir brauchen eine Bildungsumkehr. Jahrzehntelang ist hauptsächlich die akademische Bildung gefördert worden. Wenn aber Bildung gleichwertig ist, dann müssen wir auch die berufliche Bildung gleichermaßen fördern. Unser Konzept der Höheren Berufsbildung dringt darauf, an allen Schulen über die Möglichkeiten der Ausbildung und der Karriereoptionen zu informieren. Außerdem wollen wir, dass junge Leute das BerufsAbitur machen können, also in vier Jahren ihr Abi und gleichzeitig eine Berufsausbildung. Dann können sie entscheiden, ob sie studieren wollen. Wir machen Studienaussteigern spezielle Bildungsangebote.
Ausbildung und Studium, gehen dem Handwerk da nicht wieder Fachkräfte verloren?
Nein, wer etwa einen größeren Betrieb daheim übernehmen will, für den ist es durchaus interessant, auch BWL zu studieren. Bildung muss nach allen Seiten durchlässig sein.
Das Interview führte Petra Wettlaufer-Pohl und erschien am 14.9. 2018 in der Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen.